Matera, im Jahr 2019 Hauptstadt Europas

Eine Stadt, die vor zehntausend Jahren in den Felsen entstand.

„… Ich erreichte eine Straße, die auf einer Seite von alten Häusern gesäumt war, die andere Seite blickte auf einen Abgrund. In diesem Abgrund liegt Matera.“ So beschrieb der italienische Schriftsteller Carlo Levi vor sechzig Jahren seine Entdeckung dieser Stadt der Basilikata, im Süden Italiens.

Matera ist einzigartig nicht nur weil sie zehntausend Jahre alt ist (sie ist nach Aleppo in Syrien und Jericho in Jordanien die drittälteste Stadt der Welt), sondern vor allem, weil sie in Kalksteinfelsen („tufo“) hinein gebaut wurde und die Häuser sich am Hang eines steilen Abgrundes zu einem tiefen Tal (gravina) hin befinden, das einem Canyion ähnelt. Hier geben sich Höhlen-Häuser und Keller, unterirdische Labyrinthe und tausendjährige Grotten die Hände und bilden so einen in der Welt einzigartigen Schauplatz.

Matera zu besuchen, bedeutet, den Weg der Menschheit von den Anfängen seiner Geschichte bis heute erneut zu gehen: viele der Häuser, die den ursprünglichen bewohnten Kern der Stadt darstellten, waren ohne Unterbrechung von der Bronzezeit bis in die 1950er Jahre bewohnt, als die Bevölkerung in moderne Häuser umzog. Die „Sassi“ (Höhlensiedlungen) wurden dann einer umfangreichen Restaurierung unterzogen.

Sassi di Matera

Matera

Matera wirdauch die “Stadt der Sassi” genannt, ein Name, mit dem die beiden Hauptviertel der Altstadt identifiziert werden, die vollständig in dien Felsen hinein gebaut wurden: die „Cavità” und das “Piano”.

Die Sassi, Modell städtischen Ökosystems

Die Sassi stellen ein Modell für die Nutzung der natürlichen Ressourcen dar, um geeignete Vorraussetzungen für das Leben einer umfangreichen Gemeinschaft zu schaffen. Sie bestehen aus einem städtischen Ökosystem, das von der Prähistorie bis in unsere Zeit das Leben in Grotten mittels der Nutzung natürlicher Ressourcen wie Wasser, Erdboden und Energie ermöglicht hat.

In den Grotten lebten mehrere Familien, und trotz des Platzmangels wurden hier so gut wie alle täglichen Aktivitäten durchgeführt: vom Handwerk zum Weben, von der Nahrungs-Konservierung zur Haltung von Tieren.

Die Temperatur lag aufgrund der Charakteristiken des Meeres-Tuffsteins, in den die Höhlen gegraben waren, konstant bei ca. 15°C, wodurch die Bewohner im Winter weniger froren und im Sommer vor der Hitze geschützt waren.

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Ausser den Höhlenwohnungen finden wir in den Sassi auch Zisternen, Lagerräume und mehr als hundert Felsen-Kirchen, von denen noch viele perfekt erhalten sind.

Matera, ein derart stimmungsvoller Ort, dass er das Appellativ „zweites Betlehem“ verdient, hat durch die Jahrhunderte hindurch Schriftsteller, Künstler und Kino-         Regisseure inspiriert, so wie Mel Gibson, der hier seinen Film „Die Passion Christi“ drehte.

Vom „Schandfleck“ zum internationalen Stolz

Bis in die 1950er Jahre war die Stadt soweit Symbol der Rückständigkeit Süditaliens, dass sie als „nationaler Schandfleck“ bezeichnet wurde. Aber mit der Zeit und Dank einer komplexen Restaurierung, die den ‚Sassi‘ ihre ursprüngliche Schönheit wiedergab,

wurde Matera erst zum „nationalen“, und dann zum „weltweiten Stolz“.

Daher wurde Matera auch im Jahr 1993 von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannt, in chronologischer Reihenfolge dem sechsten in Italien und dem ersten in Süditalien.

Zu dieser Gelegenheit hat die Unesco zum ersten Mal die Aufnahme-Kriterien der „kulturellen Landschaft“ angewandt, nämlich der Kombinierung von Natur und menschlichem Einfluss.

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So antik und gleichzeitig aktuell bereitet sich Matera auf das Jahr 2019 vor, in dem es in vollem Glanz zur ‚Europäischen Hauptstadt der Kultur‘ ernannt wird.

Europäische Hauptstadt der Kultur: ein einjähriges Programm

Die Initiativen werden sich auf fünf Themen konzentrieren, die die gesamte Basilikata betreffen. Ihr Ziel ist es, eine Parallelität zwischen der Stadt und dem Rest Europas, zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schafffen: 1) Futuro Remoto, wird eine Überlegung zum Verhältnis darstellen, das wir zum Weltraum und den Sternen haben, 2) Continuità e Rotture, wird sich auf die Geschichte Materas konzentrieren, vor allem die der ersten 60er Jahre, als die Stadt als „der Schandfleck Italiens“ galt, mit einer Parallelität zu den sozialen Ungleichheiten der heutigen Zeit. 3) Utopie e Distopie, um sich das zukünftige Matera als einen Ort Süditaliens vorzustellen, in dem Träume und mögliche Utopien entstehen können. 4) Radici e Percorsi, das die kulturellen Verhältnisse erforscht, die die Stadt mit Europa vereint: Matera und die Basilikata waren in der Vergangenheit ein Punkt zahlreicher Annäherungen zwischen verschiedenen Kulturen und werden dies erneut im Jahr 2019 sein. 5) Riflessioni e Connessioni, zur Wiederentdeckung des Wertes von Zeit und Langsamkeit, ein Schritt zurück gegenüber des beschleunigten Rhythmus der Gegenwart.
Es wird 4 große Ausstellungen geben: 1) Ars Excavandi, eine Ausstellung über die Geschichte der Felsen-Architektur durch die Jahrhunderte hindurch, 2) Rinascimento Riletto, wird die Gebiete der Basilikata und Apuliens vergleichen, die von der Renaissance berührt wurden. 3) La Poetica dei Numeri Primi, eine Reihe von Initiativen zur Zentralität der Mathematik. 4) Osservatorio dell’Antropocene, wird die Debatte über die vom Menschen verursachten, klimatischen und landschaftlichen Veränderungen eröffnen.
Die Bezeichnung „Hauptstadt der Kultur“ wird das Gesicht Materas verwandeln, da im Jahr 2019 eine große Anzahl an Touristen aus aller Welt erwartet wird.

Lonely Planet empfiehlt: besuchen Sie sie dieses Jahr

Vielleicht genau aus diesem Grunde hat die Lonely Planet Matera in die Liste der „top 10 Best In Travel 2018” aufgenommen, der Führer der besten Reiseziele, der jedes Jahr herauskommt. Hier liest man, dass 2018 das letzte Jahr sein wird, in dem man das wirklich authentische Matera erleben kann.
In jedem Falle, um Matera zu besichtigen, bedarf es der Zeit. Jedoch diese Zeit wird den Besucher mit Wissen und aussergewöhnlichen Eindrücken belohnen.

Zu allererst sollte man eine der „Höhlen-Wohnungen“ besichtigen, die so eingerichtet wurden, wie sie sich bis zu den 50er Jahren präsentierten, ein aussergewöhnliches Beispiel der Bauernkultur und der Lebensbedingungen in den antiken Stadtvierteln im Tuffstein. Weiterhin sollten sie mindestens zehn der zahlreichen Felsenkirchen besichtigen: wahre Schmuckstücke, eingesetzt in tausendjähriges Gestein, wertvolles Erbe der byzantinischen und benediktinischen Mönche, die sich hier im hohen Mittelalter ansiedelten. Weiterhin zu erkunden ist das einfallsreiche Regenwasser-Auffangsystem der Bauern Materas. Ein Zeugnis ist der „Palombaro Grande“, eine riesige, unterirdische Zisterne, die ganz zufällig und vor nicht langer Zeit entdeckt wurde, in der das Regenwasser aufbewahrt wurde, das das gesamte Stadtzentrum versorgte. Beim Palombaro wurden Räume entdeckt, die auf handwerkliche Tätigkeiten zurückzuleiten sind, authentischer Beweis für ein antikes, unterirdisches Matera.

Das beste Brot Italiens

Auch die Nahrungsmittel von Matera haben tausendjährige Wurzeln, wie zum Beispiel das Brot, das als das beste Italiens gilt. Dieses IGP-Erzeugnis (geschützte geographische Angabe) fasst alle Erzeugnisse, die die Basilikata bietet, zusammen: von der Reinheit des Quellwassers zum lukanischen Qualitäts-Getreide und der perfekten Backzeit, die dem Brot eine knusprige Kruste und ein besonders weiches Inneres verleiht.

Eines der typischen Gerichte Materas ist die “Crapiata”, eine Getreide- und Hülsenfrüchte-Suppe, ein traditionelles Bauerngericht zur Erntezeit. Probiert werden muss auch die “Ciallèdd”, ein einfaches Gericht aus wochenlang getrocknetem Brot, das mit Kartoffeln, Zwiebel und Kräutern angerichtet wird. Und dann die “peperoni cruschi”, süße und knackige Paprikaschoten, und die köstliche Ricotte-Süßspeise.

In der Basilikata gibt es jedoch nicht nur die Stadt der „Sassi“: es gibt vieles mehr zu entdecken; hier hilft uns paradoxerweise die Tatsache, dass kein effizientes Netz an Verkehrsmitteln existiert und man sich mit dem Auto fortbewegen muss.

Ein Sprung in die lukanischen Dolmiten, dann die Stille von Craco

Ohne die Abenteuerfreude verderben zu wollen, beschränken wir uns darauf, auf zwei Ziele aufmerksam zu machen.

Einen „Sprung“ (im wahrsten Sinne des Wortes) verdienen Pietrapertosa und Castelmezzano, zwei Bergdörfer in den lukanischen Dolomiten, die zusammen den „Engelsflug“ ermöglichen, eine der Haupt-Attraktionen der Basilikata, der viele Liebhaber des extremen Sports anlockt.

Es handelt sich um eine Art Seilbahn, die die beiden durch eine tiefe Schlucht getrennten Dörfer miteinander verbindet. Die Mutigen, die diese Erfahrung machen wollen, werden liegend von einem Gipfel zum anderen sprichwörtlich ‚gestoßen‘.

Ein weiteres, nicht zu versäumendes Ziel in der Nähe von Matera, ist das auch als Geisterstadt bekannte Craco: verschanzt zwischen den Gesteinsfurchen mit seinen kargen, weissen Dünen erscheint es dem Besucher wie eine Mondlandschaft. Nicht ohne Grund wird dieser Ort oft als Film-Set gewählt (ein Beispiel ist die Szene der Erhängung Judas in der „Passion Christi“ von Mel Gibson).

Craco ist unbewohnt, da seine hydrogeologische Situation, die eine Reihe von Erdrutschen verursachte, die Einwohner 1969 zwang, den Ort zu verlassen und sich weiter talwärts anzusiedeln.

Heute ist Craco eine Museums-Park, für dessen Besichtigung eine Erlaubnis eingeholt werden muss, aber es lohnt sich: da er nicht Ziel des Massentourismus ist, ist der Ort so geblieben, wie er vor 50 Jahren war, geheimnisvoll und still, beunruhigend und zum Teil gespenstisch – wie eine richtiger Geisterstadt.

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